William Shakespeare, Was ihr wollt, Junker Christoph von Bleichenwang

1. Aufzug, 3. Szene

Junker Christoph von Bleichenwang
In eurem Leben, glaub' ich, habt ihr mich nicht so herunter gesehen, außer wenn der Sekt mich herunter gebracht hat. Mir ist, als hätt' ich manchmal nicht mehr Witz, als ein Christensohn, oder ein gewöhnlicher Mensch hat. Aber ich bin ein großer Rindfleischesser und ich glaube, das tut meinem Witz Schaden.

Mensch und Maske

Hinter der Maske findet der Mensch Raum, in welchem sich sein Traum erfüllt, auf direktem und unmittelbarem Wege dem tierischen Urzustand wieder näher zu kommen, in dem er noch nicht die menschliche Aufgabe hatte sich durch den Geist seine destruktive Wirkung auf seinen Lebensraum immer bewusster zu machen und sich konstruktiv zu formen. Die Unsichtbarkeit verleitet ihn dazu, seine bereits errungene und noch von ihm erstrebte Form wieder ganz aufzugeben und loszulassen, ohne sich mit seinen natürlichen Schwächen zu offenbaren. Er sieht in seiner Erscheinung in anderer Gestalt einen Weg, ohne die Preisgabe seiner irdischen Realität, jener Überwindung zu entgehen, welcher er zur Entwicklung des Bewusstseins, welches ihn zu seiner wahrhaftigen Identität führt, bedarf und wodurch sich die Erfahrung des Erlebens dauerhafteren Glückes begründet. Beim Maskenspiel kann er seinen Weg zum wesenhaften Ich leichter verlassen. Er flieht hinter der Maske vor seiner individuellen Realität.


Theatermaske "Trieb und Geist", Sebastian Christoph Jacob,
gebaut nach antikem Verfahren der Commedia dell'arte, Gipsabguß von Terrakottarelief, Leim/Papier/Wachs

Doch in ihm drängt ein weiterer Traum hervor: Die Maske in wachsendem Zustand des Einklangs mit dem wahren Selbst wieder abzunehmen, das wahre Gesicht zu zeigen, mit dem Ziel nichts entsprechen zu müssen, was der Vorstellung anderer von ihm entspricht, sowie dem Mut sich in dem Zustand zu zeigen, in welchem er sich gerade befindet. Auch ohne Angst davor, seiner eigenen idealen Vorstellung von sich selbst noch nicht gerecht werden zu können, noch unausgereift, unfertig, mit Schwächen, um Reife und innere Stärke kämpfend, sich noch auf dem langen Weg befindend auf welchem jedes menschliche Individuum die Kraft aufbringen muss, seine innere Freiheit Stück für Stück immer mehr zu greifen und sein Wesen letztlich zu behaupten.



Hamlet
3. Aufzug, 1. Szene

Hamlet
Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:
Ob's edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden.

Wenn ein Mensch seine Maske bewusst abnimmt hat er sich entschieden sich in seiner irdisch-menschlichen Individualität zu zeigen. Er bringt nicht nur den Mut auf sich mit seinen Schwächen, sondern auch mit seinen Stärken zu offenbaren, ohne Furcht vor Unverständnis durch eine nun hervortretende Realität, welche zuvor noch im Verborgenen blieb und nun vom gewohnten Bild abweicht. Er hat seine Furcht überwunden, vor Missgunst und Ablehnung. Er weiß, dass sein Wunsch zur Entwicklung immer bestehen wird und sein Wille für das Wachstum seines Wesens zu kämpfen in der Realität immer wieder aufs Neue seine Richtung bestimmen wird. Darin liegt die von seinem Willen geführte Kraft. Seine Glaubhaftigkeit also liegt nicht in der Übereinstimmung mit seinem perfekten Ideal seiner selbst. Seine tatsächliche Glaubwürdigkeit offenbart sich in der Überwindung der Maske.

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