Die Gitarre als Metapher für den Menschen

Nach der Präsentation verschiedener Musik, möchte ich gern das Instrument selbst vorstellen und auch die Menschen, welche die hohe Kunst des Gitarrenbaus beherrschen. Ihnen gebührt höchster Respekt, denn sie erschaffen mit ihren Händen ein Medium, welches dem Spieler als Voraussetzung für den Dialog dient, den er mit seinem Inneren führen kann. Das Glück, den mir bekannten Gitarrenbauern immer wieder begegnen zu dürfen und den Dank für ihre Bereitschaft, mich an ihrem reichem Wissen, insbesondere über die verschiedenen Hölzer und deren Eigenschaften, seit vielen Jahren geduldig teilhaben zu lassen, möchte ich gern zum Ausdruck bringen. Denn die Begegnungen mit diesen Menschen, die durch die Liebe zu ihrem wertvollen Handwerk so große Künstler sind, der geistige Austausch mit ihnen, bedeutet Inspiration. Durch die visuelle Betrachtung der Gitarre, als Metapher der Sinnhaftigkeit des menschlichen Lebens, empfindbar durch den Klang, der aus dem Innern ihres Korpus strahlt, wird auch die Betrachtung des Menschen in seiner Einzigartigkeit und dem Reichtum seines Wesens hervorgehoben.

Entsteht durch das Spiel eines jeden einzelnen Instrumentes ein individueller, durch die Art des Klanges sowie auch die Haptik bestimmter Kontakt zwischen ihm und dem Spieler, bei dem er sich selbst und sein Medium, als Reflexionsgegenstand seines Selbst, von neuen Seiten kennenlernen darf, wird ein Erkenntnisvorgang gefördert, der dem offenen Dialog mit einem menschlichen Gegenüber entspricht. Dies macht die Gitarre zu so einem wertvollen Subjekt: ist doch jedes einzelne Instrument in seinem Wesen anders und in der Lage, durch seine feine Empfindsamkeit, wenn es durch die Berührung der Saiten zum Schwingen kommt, einen anderen Bereich im Innern des Zuhörers zu sensibilisieren. Denn die Klangindividualität und Ästhetik einer jeden Gitarre gleicht der Individualität jeder menschlichen Stimme oder eines Fingerabdrucks. So ist es möglich, durch ihre Spielbarkeit, ihre differenzierten Klanghaftigkeiten, in Verbindung mit der Art und Weise ihrer visuellen Erscheinung, die größte Sehnsucht jedes Menschen zu erwecken: die unmittelbare Erkenntnis der Sinnhaftigkeit des Lebens durch die bewusste Wahrnehmung der Schwingung seines Innern. Und die Erkenntnis der wundersamen Vielfältigkeit jedes Einzelnen, die seine freudige Lebendigkeit ausmacht!




Als Metapher für den menschlichen Körper bietet die Gitarre, als Korpus ohne Fleisch und Blut, den freien Raum für den Widerklang der menschlichen Seele. Und ebenso wie der Körper eines Menschen ihm selbst zum Ausdruck seines seelischen Empfindens dienen kann, bildet die Gitarre für ihren Spieler die Grundlage für seinen musikalischen Ausdruck, als akustisch erfahrbare Reflexion seines eigenen Innern. So ist die Gitarre, ebenso wie der Mensch, ein großes Wunder und kann auch in ihm Wunder bewirken.

Als Spiegel seines Selbst und im besten Falle auch des Anderen, des Zuhörers, ist es also möglich, in den verschiedenen Gitarren nicht nur den Wunsch nach eigener Ausgeglichenheit zwischen physischer, geistiger und seelischer Kräfte zu erfahren, sondern auch die Liebenswürdigkeit, die im Kern eines Jeden wohnt. Aus diesem Grunde ist die Gitarre, als Instrument aus Holz, das der Spieler mit seinen Augen betrachtet, das er mit seinen Handflächen berührt, das er sogar mit seinem Geruchssinn als einzigartig wahrnehmen kann und mit dessen auf ihm gespannten Saiten aus organischem Material, als Metapher für die das seelische Gefühl reflektierenden Gedärme im menschlichen Körper, als Instrument, dass er schließlich mit den Fingern berührt, um es über die Saiten zum Schwingen und Klingen zu bringen; ein individuelles Subjekt. Dieses bietet den Menschen, die mit seiner Ästhetik in Kontakt kommen dürfen, eine Möglichkeit, die Sensibilität und Liebenswürdigkeit zu erahnen, welche jedem Einzelnen im Grunde zu Eigen ist. Eine solche Art der Betrachtung erlaubt die Vorstellung der Gitarre als Vorbild für die Vorbildhaftigkeit, die jeder Mensch als Ideal in sich entdecken und kultivieren kann, um die Sinnhaftigkeit seines eigenen Lebens zu erfahren. Indem er den Kontakt zu seinem Gegenüber auf eine Weise sucht, die jener Erscheinung entspricht, welche die Gitarre, als Körper ohne Fleisch und Blut, also vom menschlichen Zustand nach dem Tod zeichnet, kann es ihm gelingen, ebenso wie der Gitarrist sein Instrument als wahrhaftige Erscheinung empfindet, sein menschliches Gegenüber in seiner Wahrhaftigkeit wahrzunehmen. Dies ist der Grund, aus welchem ich die Gitarre, als mystisches Subjekt, auf diesen Seiten zur näheren visuellen Betrachtung ausstellen möchte.


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